Etaneno – Kunst im Busch?

Etaneno – Kunst im Busch? | KUNST MAGAZIN 26.07.11 10:00
Publiziert am 26. Juli 2011 von Steffi Weiss

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©Museum für neue Kunst – Städtische Museen Freiburg; Etaneno, Foto: Yeon-Shin Kim

„Was kann Kunst, wenn es an allem fehlt?“ fragt Thomas Stricker. 2007 wurde er mit sechs weiteren Künstlern nach Etaneno, einer Rinderfarm im Buschland Namibias, eingeladen, um das dortige Museum mit Ideen zu füllen.

Kaum angekommen auf der abgelegenen Etaneno-Farm, fühlen die Künstler eine unheimliche Leere. Erst 50 km weiter sind die nächsten besiedelten Orte Otjiwarongo und das Blechhüttendorf Kalkfeld in der unwirtlichen Landschaft zu finden. Orte die von Armut geprägt sind. Die Statistik verzeichnet eine Arbeitslosenquote von 90%. Die Künstler fanden, während sie die Umgebung erkundeten, in Kalkfeld Anschluss bei den Einheimischen und schufen im Austausch Kunstwerke, die nachwirken. Dazu zählen die künstlerische Zusammenarbeit mit Schülern, mit dem Ort verbundene oder ortsbezogene Kunstwerke. Letztere schenkten die Künstler der Sammlung des Etaneo-Museums.

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Museum für Neue Kunst – Städtische Museen Freiburg, Michaela Wirsig, Kleid, 2007, Foto: Yeon-Shin Kim

Die Textilkünstlerin Michaela Wirsing initiierte einen Näh-Workshop mit den Schülerinnen der Primar-Schule. Stolz schlüpften die Schülerinnen in die Rolle eines Models und präsentierten ihre neuen selbst genähten Kleider in einer Modenschau.

Überall fehlt es an grundlegenden Dingen, die im Alltag gebraucht werden. Bevor überhaupt ans künstlerische Arbeiten gedacht werden kann, sind Handwerks- und Reparaturarbeiten zu erledigen. Thomas Stricker erweiterte seinen Begriff von Skulptur, indem er Sitzbänke im Hof des Schulgeländes schuf und einen Schulgarten an legte. Dieser Garten regte die Dorfbewohner an, eigene kleine Gärten mit Obstbäumen anzulegen und das Wissen darum beim Schulgarten zu erfragen. Der Künstler versteht Garten und Aktion als Ganzes – im Sinne von Joseph Beuys: als eine soziale Plastik.

Erwin Gebert, gebürtiger Freiburger, Farmer und Architekt, siedelte in den 80er Jahren nach Namibia um und baute eine verlassene Farm wieder auf: das heutige „Etaneno“. 1998 kam er gemeinsam mit dem Künstler Alfonso Hüppi nächtens auf die Idee, auf seiner Farm ein Museum für Kunst zu bauen. Noch in derselben Nacht steckten sie den Grundriss für die Kunsthalle ab und planten, zweimal im Jahr Künstler für je einen Monat einzuladen.

Etaneno ist, fernab von Kunstmarkt und Publikum, zu einer Forschungsstätte für die Künste geworden. Ausgehend von völliger Leere können an diesem Ort die Wahrnehmung neu verortet und Wirklichkeitserfahrungen neu definiert werden. Die Künstler die dort arbeiten finden meist ihren Ausdruck im sozialen Kunstwerk – die Grenze zwischen Kunst und Leben verschwimmt. „Es ist eine fragile, ungleiche und wunderschöne Zusammenarbeit zwischen diesen großartigen Schülern und Lehrern im verlorenen Kalkfeld und uns sporadisch einfallenden Künstlern“, so Thomas Stricker.

Zum ersten Mal sind jetzt ausgewählte Kunstwerke der Etaneno-Sammlung im Museum für Neue Kunst in Freiburg zu sehen. In Verbindung mit einem Dokumentarfilm transportiert die sinnliche Ästhetik der Objekte ein Gefühl von Afrika und vermittelt lebendig und bewegend, „was Kunst kann, wenn alles fehlt.“

Etaneno – Kunst aus dem Museum im Busch

Museum für Neue Kunst
Städtische Museen Freiburg
 bis 25.9.2011